Ich habe lange überlegt ob oder wie ich über meine gescheiterten Unternehmungen schreiben soll. Wir reden zwar alle gerne über „Failing forward“ und wie wichtig Fehlertoleranz ist. Wir gehen auf Fuck-Up oder Epic Fail Nights.
Trotzdem werden gescheiterte Unternehmer erst ernst genommen, wenn sie Erfolg haben. Genau so wie wir Kriegsgeschichten nur von überlebenden zu hören bekommen.
Ich erzähle also nicht von meinen „3 geheimen Wegen zum Erfolg / sechsstelligen Umsatz / zur Million“, sondern einfach nur von meiner persönlichen Erfahrungen, in der Hoffnung, dass auch andere aus ihnen lernen können. Ich hab sicher weit mehr als nur 5 Fehler gemacht, aber ich glaube die folgenden waren die schwersten und auch die vermeidbarsten.
Es wird schwerer sein und es wird länger dauern
In der Theorie ist jedes Business einfach. Mit Hilfe des Business Model Canvas lässt sich auf einer Seite relativ vollständig zeigen wie ein Geschäft funktioniert.
Anders als es aber der Typ in der YouTube Ad dir erzählen möchte, steckt auch hinter einem vermeintlich sehr einfachen Business Model fast immer sehr viel Arbeit. Und zwar wirklich sehr viel Arbeit.
Obwohl es eigentlich schon Allgemeinwissen ist, „Build it and they will come“ ist ein Mythos. Meistens baust du und es passiert erst mal gar nichts. Und auch wenn du dich bei der Entwicklung bereits an alle Regeln der „Lean-Startup-Kunst“ gehalten hast und vielleicht von Anfang an 2-3 Kunden hast, dann fängt nach deinen ersten Early-Adoptern erst so richtig die Arbeit an.
Als wir Worktender gründeten waren wir 4 Selbständige. Die Hoffnung war, dass die Flexibilität ausreichen würde um Worktender neben unseren brotbringenden Tätigkeiten machen zu können. Keiner von uns konnte die Investitionen aufbringen um Worktender in Vollzeit voranzutreiben.
Insbesondere und ich und ein weiterer tragender Co-Founder waren in der Zeit durchgehend in der Zwickmühle einerseits Worktender voranzutreiben, andrerseits anderweitig Geld zu verdienen, um seine persönlichen laufenden Kosten zu decken und bei Worktender das Licht anzubehalten.
Neben der persönlichen Belastung zwei Vollzeitjobs parallel zu handeln, führte es zusätzlich zu Konflikten im eigenen Team, weil Worktender nicht immer die Aufmerksamkeit bekam, die es verdient hätte. Nach fast 2 Jahren war deswegen auch endgültig Schluss. Wir waren müde und hatten keine Lust den Konflikt untereinander weiterzutragen.
Kläre die Erwartungshaltung
In unserer Generation (Millenials und ff.) werden Start-Ups romantisiert. Sind ja irgendwie cool und hip und man arbeiter mit viel Passion an etwas mit Sinn.
Gerade durch den Hype um Start-Ups ist es glaube ich wichtiger als je zuvor, dass sich alle Gründer eines Teams in vorhinein zusammensetzen um ihre Erwartungshaltung zu klären. Am Besten sollten diese sogar schriftlich festgehalten werden.
Was sind deine Erwartung an das Start-Up? Wenn du nicht bereits von Anfang an Vollzeit daran arbeitest, ab welchen Umsatz kündigst du deinen Job und bist zu 100% dabei? Wie lange wirst du arbeiten? An wie vielen Tagen? Wie sieht es mit Urlaub aus? Wie viel Geld brauchst du von Anfang an? Wie definierst du deine Rolle? Welche Aufgaben wirst du übernehmen, welche nicht? Wie gehen wir mit Konflikten um? Was wenn einer aussteigen möchte? Was wenn einer von uns nicht seine Arbeit erledigt?
Das sind alles Fragen die man sich nicht zwangsläufig in der Honeymoon-Phase der Gründung stellt. Man ist verliebt in die Idee und freut sich Mitstreiter gefunden haben die auch brennen. Irgendwie wird man das schon machen. So ging es zumindest mir.
Problematisch wird die Sache nur, wenn sich später herausstellt, das die Erwartungen andere sind. Natürlich können sich unabhängig davon Situationen ändern die dazu führen das Erwartungen nicht mehr erfüllt werden können. Die Diskussionen die man an diesen Punkten dann führen muss, sind leichter, wenn die Erwartungen im Vorfeld niedergeschrieben worden sind.
Die Aussage „du machst deinen Job nicht“ ist nur dann hilfreich, wenn klar ist, was der Job ist, und Konsequenzen sind dann gerecht, wenn man sich von Anfang an darauf geeinigt hat, was die Konsequenzen sein werden.
Viele Start-Ups bilden Elemente davon von Anfang an über „Founders-Vesting“ und andere Klauseln in ihren Gründungsverträgen ab. Das ist etwas was ich nie gemacht habe und bitter bereue.
Du brauchst ein komplementäres und komplettes Team
Wie bereits oben erwähnt, ist die Frage was ist dein Job, was ist mein Job sehr wichtig. Diese Frage lässt sich leichter klären wenn sich das Skill-Set der einzelnen Leute stark unterscheidet. Die archetypische Konstellation ist „Hacker, Hustler und Designer“ in der Realität aber nicht immer so einfach.
Absolute Knappheit herrscht natürlich immer bei den Hackern. So auch bei meiner Werbeagentur, die ich noch während meines Studiums mitgründete.
Ja wir waren ein Web-Agentur ohne einen einzigen Programmierer. Fun-Fact ist, das wir trotzdem mit unserer eigenen Seite den relativ prestigeträchtigen „Awwward of the Week“ und noch ein paar andere Preise gewonnen haben, was insbesondere an der exzellenten Arbeit unseres Designers lag. Die eigentliche Entwicklungsarbeit wurde aber von einem Entwicklerbüro in der Ukraine gemacht.
Konflikt an diesem System ist, dass ich in der Zwischenzeit überzeugt bin, dass es unabdingbar ist seine Kernkompetenzen als auch Kernaktivitäten vollständig inhouse abbilden zu können.
Auch Worktender, die App für Studentenjobs, haben wir ursprünglich ohne technischen Founder gestartet. Diesen Fehler haben wir später korrigiert indem wir unsere Freelance-Programmierer in das Team aufgenommen haben, aber zu diesem Zeitpunkt gingen wir bereits finanziell auf dem Zahnfleisch da die initiale Entwicklung unser ganzes Startbudget aufgefressen hat.
Wenn sich Gründungsteams zusammenstellen, würde ich in Zukunft tatsächlich mehr darauf achten, dass wir möglichst unterschiedliche Backgrounds haben und das wir gemeinsam auch wirklich alle Kernaktivitäten des Unternehmens im Team auffangen können. Ein weiteres Tech-Start-Up mit überwiegend BWLern? Nie wieder.
Traue nur einem Vertrag
Never trust nobody
The Notorious B.I.G. – Ten Crack Commandments
Your moms’ll set that ass up, properly gassed up
Hoodied and masked up, shit, for that fast buck
She be laying in the bushes to light that ass up
„Es ist nicht persönliches, es ist Business“. Das ist so ein Satz mit dem kann man als New-Work Fan wenig anfangen. Auf dem ersten Level bedeutet das, dass deine Kunden und Partner in erster Linie ein Geschäft mit dir machen. Natürlich entwickeln sich zwischen Kunden und Partnern auch oft freundschaftliche Verhältnisse. Dadurch kann es schon mal vorkommen das man sich betrogen fühlt wenn so ein Partner oder Kunde einem den Rücken zukehrt.
Unabhängig vom „Bauchgefühl“ das man hat, oder wie lange und gut man jemanden kennt – Vertrauen ist gefährlich, Vertrag ist besser. Das fängt wie bereits oben erwähnt mit dem Gründungsvertrag an, schließt aber auch alle Interaktionen mit Kunden, Partnern und Beratern ein.
Ich hatte Kunden die den Preis nachverhandeln wollten, Kunden die den Umfang verhandeln wollten, Kunden die nicht zahlen wollten, PR-Berater die für „Nicht-Leistung“ viel Geld haben wollten. Wenn ich etwas in diesen Jahren gelernt habe, dann Verträge zu schreiben und ich habe viel Lehrgeld dafür bezahlt.
Wirklich schmerzhaft waren aber die Erfahrungen, wenn sich die Beziehung andersrum entwickelt hat, man also mit Freunden Geschäfte macht.
Natürlich kennt man seine Freunde. Wenn man ihnen nicht vertrauen kann, wem dann? Aber nicht umsonst heißt es im Volksmund „Bei Geld hört die Freundschaft auf“. Sowohl potentieller Gewinn als auch Verlust von Geld verzerrt das subjektive Gerechtigkeitsempfinden.
A dollar might just fuck your main bitch
Kendrick Lamar – Money Trees
That’s just how I feel, nah
A dollar might say fuck them n***** that you came with
That’s just how I feel, nah, nah
A dollar might just make that lane switch
That’s just how I feel, nah
Dadurch entstehen in kürzester Zeit Konflikte die nicht selten vor Gericht enden. Denn gerade dort wo nichts oder wenig unter Freunden dokumentiert wurde, gerade dort gibt es viel Streitpotential.
In meinem persönlichen Fall ist es zum Glück nur bei der Androhung geblieben, die Freundschaft ist dennoch irreparabel zerbrochen, und alle Parteien fühlen sich vom anderen betrogen.
Diese Erfahrung hat mich gelehrt, insbesondere mit Menschen zu denen ich eine persönliche Beziehung habe, besonders detailliert und gründlich bei den Verträgen und Abmachungen zu sein.
Wenn der Einsatz hoch ist, gehe ich seitdem grundsätzlich vom Worst-Case aus und lasse im Zweifel noch einen Anwalt über die Dokumente sehen um mir sicher zu sein, dass ich meine Interessen im Zweifel vor Gericht durchsetzen kann. (Das wäre die Bonuslehren Nummer 5 und 6: Holt euch eine Rechtsschutzversicherung die euch auch beruflich auffängt und einen guten Anwalt).
Die Ironie: Seitdem ich Verträge rechtzeitig entwerfe und sie auch so gestalte, habe ich auch keine Probleme mehr dieser Art gehabt. So gesehen ist der Vertrag nicht mehr ein Zeichen das ich der Person nicht mehr vertraue, sondern vielmehr ein Zeichen, dass ich die Beziehung beschützen möchte.
Ich weiß, dass wenn man solche Ratschläge liest man sich schnell denkt, dass das auf einen Selbst nicht zutrifft. Die eigenen Idee ist wirklich schnell umzusetzen, man selber hat halt das Prinzip work smarter not harder verstanden. In der Gruppe sind die Erwartungen so klar, man braucht sie nicht explizit schriftlich festzuhalten. Die Technik macht der eine Freelancer, der halt echt gut ist und auf die Typen mit denen ich das mache, kann ich mich blind verlassen.
Vielleicht hast du auch recht wenn du das denkst.
Ich hab aber genau so gedacht.
Was verlierst du wenn du die Ratschläge annimmst, obwohl sie nicht nötig gewesen wären? Nichts. Aber diese Fehler können dich alles kosten. Würde mich freuen wenn sie auch nur einem helfen.