Für die, die es noch nicht gemerkt haben: Startups sind zurzeit der letzte Schrei.
Was in vergangenen Jahrzehnten der Drummer einer Rockband war, ist nun der Gründer eines Startups. Irgendwie hat der wahrgenommene Lifestyle von Unternehmern jetzt eine Strahlkraft wie eins „Sex, drugs and rock’n’roll“.
Um ehrlich zu sein halte ich diese Trend für besorgniserregend. Aus gutem Grund. Denn dieser Trend beschert uns eine ganze Menge an „Wantapreneurs“.
Das sind Leute die Unternehmer sein wollen, um ein Unternehmer zu sein. Dabei geht es ihnen aber nicht um das Business, sondern um den Lifestyle. Bzw. noch schlimmer, das was sie für den Unternehmer Lifestyle halten.
Grundsätzlich ist ja auch nichts falsches daran das Unternehmerleben als erstrebenswert zu betrachten. Wenn du Unternehmer wirst, dann wird es essentieller Bestandteil deines Lebens, ob du willst oder nicht.
Das Problem sind die Irrtürmer wie so ein Unternehmerleben aussieht.
1. Es ist geil sein eigener Chef zu sein
Ja, das stimmt. Grundsätzlich habe ich auch eine Tendenz Hierarchien und Büropolitik abzulehen und möchte stattdessen die Dinge selbst in die Hand nehmen. Aber es stellt sich raus, das „sein eigener Chef sein“ ein zweischneidiges Schwert ist.
Wenn du der Chef bis, dann trägst du die ganze Verantwortung.
Wenn es nicht so läuft wie du es dir vorstellst, dann musst du am Ende dir selbst die Schuld dafür geben. Wenn deine Mitarbeiter Scheiße bauen, dann warst du es, der sie überhaupt erst an Bord geholt hat. Für jede Fehlentscheidung oder fehlgeleitete Intuition musst du gerade stehen.
Und währenddessen ist es dein Geld, deine Firma und dein Leben, das auf dem Spiel steht. Kein anonymer Konzern in dem alle Fehler Einzelner in der Masse ausgeglichen werden. Jeder Fehler wird dir persönlich weh tun.
Wenn du dich also darüber beschwerst, dass dein Boss so viel Druck aufbaut und die Arbeit so stressig ist, dann solltest du kein Unternehmen gründen. Als Unternehmer wirst du einiges auf die Fresse bekommen – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn du es nicht einstecken kannst, dann solltest du es gleich lassen.
Auch wenn du denkst, dass man als Unternehmer grenzenlose Freiheit genießt in Bezug auf was du machst und wann du arbeitest, dann liegst du falsch.
Die Phrase „selbstständig – selbst und ständig“ ist vielleicht abgegriffen, aber darum nicht weniger wahr. Nicht jedes Business kann als digitaler Nomade betrieben werden. Angestellte haben Anspruch auf Urlaub. Unternehmer nicht. Als Angestellter wirst du im Krankheitsfall von Kollegen vertreten, als Unternehmer nicht.
Sobald der Betrieb eines Unternehmens läuft, werden dir Pflichten durch Partner, Investoren oder Kunden vorgegeben. Das können Deadlines sein, die dich zwingen länger zu arbeiten. Krisen, die sofort gelöst werden müssen. Oder Bürokratie die ganz einfach erledigt werden muss.
Auch wenn du in der Kreativbranche bist, erwarte nicht, dass deine Ideen bei jedem Kunden gut ankommen. Erwarte nicht, dass du nur dann arbeiten kannst, wenn dich die Muse küsst und du dich inspiriert fühlst.
Denn in der Realität wirst du am laufenden Band kreatives produzieren müssen, wovon das Meiste davon werden deine Kunden aber ablehnen. An diesem Punkt habe ich viele Kreative und Künstler gesehen, die die Lust an ihrer eigene Arbeit verloren haben.
Ist dann auch noch das Geld knapp, nimmt man jedes Projekt an. Egal wie uninteressant und egal wie schwierig der Kunde ist. In solchen Momenten hab ich mich nicht wie der heldenhafte Kapitän gefühlt der sein Schiff (Unternehmen) durch den Sturm lenkt, sondern eher wie eine Prostituierte die halt das Geld braucht.
2. Du arbeitest in einem stylischen Office
Offene, loftartige Büros oder Co-Working Spaces, voll mit freundlichen bärtigen Leuten in Shorts und nerdigen T-Shirts – so verkaufen die meisten Startups ihre Büros in den Medien.
Dadurch vergisst man schnell, dass die wenigsten Startups sich solche Büros leisten können. So einen Luxus können sich nur die leisten, die eigentlich kein Start-Up mehr sind oder sich bereits ein äußerst großzügiges Investment sichern konnten. Und wie Bill Reichert, Managing Director von Garage Ventures im folgenden Zitat verdeutlicht, ist das ziemlich unwahrscheinlich.
You’re more likely to get struck by a lightning while lying on the bottom of a swimming pool on a sunny day, than you are to raise venture capital
Guy Kawasaki meinte darauf, dass die Chancen auf Venture Capital sogar noch geringer sind. Folglich haben die meisten Unternehmer ein eher kleineres Budget für ein Büro. Sehr wahrscheinlich wirst du sogar in der Anfangsphase von Zuhause aus arbeiten.
Sei dir einfach dessen bewusst, dass die meisten Sartups gebootstrapt sind und durch „Fools, Friends and Family“ finanziert wurden. Die Gründung ist dadurch viel mehr ein steiniger Weg der Enthaltsamkeit als Glanz und Gloria.
3. Du triffst und arbeitest mit super Leuten
Fast schon zwangsläufig wirst du als Unternehmer eine Menge Leute treffen. Darunter auch viele interessante und faszinierende Menschen.
Persönlich bin ich immer wieder fasziniert wie sehr „Unternehmertum“ verbindet. Egal wie alt oder jung. Man kennt und versteht die Probleme des „Unternehmerseins“ – das ist mit Leuten die noch nie selbständig waren eher selten der Fall.
Allerdings ist der ganze Dunstkreis der Startup Community auch voller Schwätzer, Blender und Halsabschneider. Egal wie lässig und cool alles drum rum ist – es geht um Business. Nicht jeder der freundlich ist, ist dein Freund. Nicht jeder der sagt das er was kann, kann es tatsächlich.
Ein weit aus größere Skepsis und weniger Gutgläubigkeit hätte mir in den letzten Jahren viel Zeit, Nerven und auch Geld gespart. Das fängt bei gescheiterten Mitgründerbeziehungen an und hört bei betrügerischen Beratern auf.
Im Nachhinein, kann ich nicht fassen, dass ich die Probleme nicht hab kommen sehen. Schnell lässt man sich von der Ponyhofatmosphäre mancher Startupevents anstecken. So übersieht man schnell, dass Geld und Macht im Business immer eine Rolle spielen und dabei nicht selten die negativen Seiten von Menschen aufdecken.
Und ich bin kein Einzelfall. Fast jeder Unternehmer hat ein Dutzend Geschichten zu erzählen wie er übers Ohr gehauen wurde. Das sind Kunden die nicht zahlen, Gerichtsverfahren und Erpressungen. Kollegen die zu viel versprechen und zu wenig leisten. Dabei sind es nicht selten gute Freunde die zu Feinden werden.
Auch VCs sind nicht deine Freunde und keine philantropischen Wohltäter, und ebenso wenig die meisten deiner geschäftlichen Kontakte. Es ist gut freundschaftliche Beziehungen zu diesen Leuten aufzubauen. Vertrauen ist schließlich Dreh- und Angelpunkt guter Zusammenarbeit,
Aber sei dir von der ersten Sekunde auch bewusst, dass es auch in der Startup Welt um Business geht, egal wie casual die Leute gekleidet sind. Manchmal wird in der Startup Arena mit weit härteren Bandagen gekämpft als in Konzernen. Macht und Geld ist auch in der Startupcommunity ein omnipräsentes Motiv.
Vielleicht bin ich auf Grund meiner „jugendliche Naivität“ oder mangelnden Geschäfts- und Lebenserfahrung damals selbst diesem Irrtum erlegen. Dennoch zeigen mir ähnliche Erfahrungen von anderen Unternehmern, dass überraschend viele Unternehmer die gleichen schmerzlichen Erfahrungen machen mussten.
4. Du folgst deiner Leidenschaft und verbesserst die Welt
„Follow your passion“ und „making the world a better place“, sind Phrasen die Unternehmer gerne benutzen (insbesondere im Silicon Valley).
Im Gegensatz dazu behaupten auch einige Leute, wie Cal Newport (follow your passion is bad advice) oder Marty Nemko (Why following your passion is the worst kind of career advice) das man besser nicht seiner Leidenschaft folgen sollte. Und ich stimme zu.
Versteht mich nicht falsch. Ich brenne leidenschaftlich für das, was ich tue und mein Geschäft.
Aber ich bin weitaus länger leidenschaftlicher Basketballer. Hätte ich demnach nicht Profi-Basketballer werden sollen? Wahrscheinlich nicht. Zu allererst bin ich weder talentiert genug noch hab ich die notwendige Athletik um Profi zu werden. Egal wie hart ich dafür arbeiten würde. Darüber hinaus glaube ich auch nicht, dass mich eine Sportlerkarriere erfüllen würde.
Deswegen habe ich mich mehr für einen Weg entschieden, auf dem ich meine persönlichen Stärken und Talente zur Geltung bringen kann. Wo ich der Meinung bin auch im Vergleich zu anderen, eine weit überdurchschnittliche Leistung erbringen zu können. Ein Weg der mit persönlich erlaubt, mein Leben nach meinen Vorstellungen zu gestalten.
Deswegen glaube ich an Cal Newport’s These, dass Leidenschaft automatisch dort entsteht, wo wir eine überdurchschnittliche Leistung erbringen. Das heißt wir entwickeln unsere Leidenschaft mit unserer Kompetenz. Wir erarbeiten uns Leidenschaft anstatt sie zu finden.
Das Führen und Aufbauen eines Unternehmens beinhaltet auch so viele Aktivitäten, dass es unmöglich ist alle „leidenschaftlich“ zu tun. Ich hab auch noch nie einen Unternehmer gesehen der leidenschaftlich gerne seine Steuererklärung macht. Oder Kaltakquise. Die kostet mich noch immer viel Überwindung. Aber wenn man das große Bild betrachtet, dann ist es ganz einfach meine Leidenschaft, Unternehmen aufzubauen, und meinen Kunden bei Ihren Wachstumsthemen zu helfen.
Noch abstruser als die „leidenschaftlichen“ sind aber die Weltverbesserer. Besonders wenn das als Imperativ für ein erfolgreiches Geschäft gehandelt wird. Aber mittlerweile behaupten ganz einfach zu viele Leute, dass ihre Idee die Welt verändern wird.
Aber es gibt insgesamt zu wenig Firmen, die das ernsthaft von sich behaupten dürfen (z.B. Muhammad Yunus und die Grameen Bank). Aber macht die x-te Messaging App die Welt wirklich besser? Ist ein weiteres Fashion Label wirklich was die Welt braucht?
Auf der anderen Seite gibt es so viele Geschäfte die von Krieg und Mord profitieren. Die Rüstungsindustrie setzt 1.760 Mrd. $ um. Das ist ein lukrativer Markt für Unternehmen und Unternehmer die davon profitieren.
Letztendlich muss also nur die Welt für den einzelnen Kunden ein bisschen besser werden. Reden wir uns doch bitte nicht ein das Benz und BMW jährlich Milliarden damit umsetzen, weil mit jeder Karre die Welt besser wird.
Zusammenfassend, folge nicht deiner Leidenschaft, sondern mach dein Business zu deiner Leidenschaft. Sei wertvoll für deine Kunden, auch wenn es nicht die ganze Welt ist. Es geht am Ende darum eine Leistung oder ein Produkt anzubieten, für die deine Kunden gerne zahlen.
Wenn dich das alles nicht überrascht hat, und du keine Angst hast weiter dein eigenes Ding zu drehen, dann tu dir selbst ein Gefallen:
Fang an deine Ideen umzusetzen.
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